2015-2017: RAW für den Kiez: Stadtraum oder Standort?

Im Frühjahr 2015 meldet der RAW-tempel e.V. Insolvenz an.

Der zuvor gegründete raw//culture collective e.V. (raw//cc) soll den Projektpartner*innen wenigstens als kultureller Dachverein dienen, bis sie eine neue Verwaltungsstruktur aufgebaut haben.

Seit 01.01.2015 ist die Göttinger Kurth-Gruppe Eigentümerin der BNRE-Fläche, Kaufpreis 25 Mio. Euro. Sie kündigt für das Frühjahr 2015 ein kooperatives Dialogverfahren zur RAW-Geländeentwicklung an.

Mietvertragsverhandlungen mit den Vereinshäusern und dem Five-O-Projektverbund. Kurth Gruppe will mit den Projektpartner*innen des ehemaligen RAW-tempel e.V. zunächst nur das mietvertraglich gesicherte SGL überlassen, verhandelt auf öffentlichen Druck dann doch über VWG und BHW. Das Ambulatorium verbleibt weiterhin beim Theater Majak und das SGL beim CLoF e.V.

November 2015: Die Kurth-Gruppe präsentiert den Planungsstand im Stadtplanungsausschuss: „kooperatives Planungsverfahren“, zwei Entwicklungswerkstätten sind vorgesehen. Durchführendes Planungsbüro: Jahn, Mack & Partner.

Das RAW-Stadtteilbündnis bildet sich als offener Zusammenschluss von Friedrichshainer Kulturvereinen, stadtpolitischen Gruppen und Anwohner*innen-Initiativen.

Motiv: Die RAW-Entwicklung ist Gegenstand des öffentlichen Interesses (u.a. Umsetzung des Einwohner*innen-Antrags). Wie von 2001-2004 der Ideenaufruf, will das Stadtteilbündnis die Perspektive der Anwohner*innen und Nutzer*innen in die Planung einbringen.

2016: Die Solidarische Entwicklungsgemeinschaft Soziokulturelles L gründet sich als Interessenvertretung und Arbeitsgemeinschaft der Nutzer*innen.

Ziel des Zusammenschlusses ist die dauerhafte Sicherung des Soziokulturellen Zentrums mit den Nutzungen und Angeboten auf dem RAW. Dazu soll das Soziokulturelle Zentrum durch die Stiftung trias und eine zu gründende Stadtteilgenossenschaft gekauft werden.

Einladung zur ersten Werkstatt der Kurth Gruppe im Februar 2016 an einen Teil der Nutzer*innen und Nachbarschaftsvertreter*innen. Auf öffentlichen Druck hin wird die Teilnehmer*innen-Liste erweitert, doch auch die Veranstaltung selbst gibt Anlass zur Kritik.

Im Vorfeld wurde keine Tagesordnung versendet und somit auch keine Möglichkeit zur angemessenen Vorbereitung auf den Ablauf und die Themenschwerpunkte gegeben. Auf der Nutzer*innen-Werkstatt werden die Teilnehmenden dann überraschend gebeten, ein 3-Minuten-Statement zu ihren Geländewünschen abzugeben. Wer für eine Gruppe anwesend war (z. B. für ein Hausplenum oder eine Initiative), konnte eigentlich keine legitimierten Positionen formulieren. Die Beiträge der Nutzer*innen und Nachbarschaftsvertreter*innen wurden in der offiziellen Dokumentation zudem unvollständig, falsch oder gar nicht wiedergegeben.


Partizipationskommunikation

Die von der Kurth Gruppe beauftragte PR-Agentur Stöbe Kommunikation brüstet sich in ihrer Firmenpräsentation auf der Berlin-Partner-Homepage damit, die RAW-Entwicklung durch geschickte Kommunikation und Partizipationsstrategien aktuell „vollumfänglich“ zu steuern.

Das kooperative Planungsverfahren der Kurth Gruppe steht damit im Verdacht, eine Inszenierung ganz im Sinne dieser Partizipationskommunikation zu sein.


Runder Tisch Soziokulturelles Zentrum langfristig absichern

Die Nutzer*innen befanden sich zum Zeitpunkt der ersten Werkstatt noch in Mietvertragsverhandlungen mit der Kurth Gruppe. Sie forderten daher einen Runden Tisch, der die soziokulturelle Nutzung auf dem RAW absichern soll, bevor über die Entwicklung des RAW-Geländes verhandelt wird. Die BVV unterstützt daraufhin die Durchführung von Runden Tischen (Link: BVV-Beschluss).


Fachgespräche

Nachdem auch die zweite Werkstattveranstaltung im eigentümer-finanzierten und -zentrierten Planungsverfahren inhaltlich mangelhaft verläuft, beschließt die BVV außerdem eine bezirklich gesteuerte Bürger*innen-Beteiligung (Fachgespräche) zur RAW-Entwicklung. Die Kurth Gruppe bricht daraufhin ihre Planungsverfahren ab.

2013-2015: Generationswechsel: RAW.Kulturensemble erhalten!

Anfang 2013 steht die Unterzeichnung eines städtebaulichen Vertrages zwischen den Eigentümer*innen und dem Bezirk an.

Geplant ist eine 3-Teilung des Geländes, die zur Warschauer Straße hin gewerbliche Nutzung und zur Modersohnbrücke Wohnungsbau vorsieht. Im Zentrum soll die kulturelle Nutzung erhalten werden, dazu gehören neben dem Sport- und Freizeitbereich des Five-O Projektverbunds auch die 4 Vereinshäuser, für die es seit der Kündigung 2012 noch keine neuen Mietverträge gibt. In dem Gebäudeensemble entlang der Revaler Straße, das seit 1995 unter Denkmalschutz steht, haben mittlerweile 80 Künstler*innen aus allen Sparten, Kulturvereine und Kunsthandwerk*innen ihre Produktionsräume.

Initiative „RAW.Kulturensemble erhalten

Mit bekannt werden der Eigentümer*innen-Pläne und aufgrund der unsicheren Situation der Nutzer*innen im soziokulturellem Zentrum, gründete sich Anfang 2013 die Initiative RAW.Kulturensemble (Link zu „über uns // unsere Ziele“)

Die Kritik der Initiative am städtebaulichen Vertrag: Eine heranrückende Wohnbebauung bedeutet für die Kulturnutzung früher oder später das Aus.

Die Pläne der Eigentümer*innen ignorieren außerdem:

  • den Erhalt der städtebaulichen Eigenart des Geländes,

  • die vom Bezirk gewünschte konzeptionelle Zusammenarbeit mit den Nutzer*innen sowie

  • die vom Bezirk gewünschte konzeptionelle Zusammenarbeit mit den Nutzer*innen sowie

  • die Beteiligung der Stadtgesellschaft bei der RAW-Geländeentwicklung und

  • die Schaffung einer großen zusammenhängenden Grünfläche

Im April 2013 beginnt die Initiative mit der Sammlung von Unterschriften für einen Einwohner*innen-Antrag. Dieser soll den soll der Erhalt des RAW-Geländes als Kulturensemble, Erholungsgebiet und Denkmalbereich erwirken und den Bau von Wohnungen vermeiden. (Link zum EA)

Parallel sagen die Eigentümer*innen eine Präsentation ihrer aktuellen Planungsentwürfe im Stadtentwicklungsausschuss ab.

Ende 2013 ist der Zerfall ihrer Planungsgemeinschaft offiziell, die R.E.D. tritt vom Kaufvertrag mit der BNRE zurück und beide Parteien reklamieren die Mieteinnahmen der Nutzer*innen des BNRE-Teils für sich.

Der RAW-tempel e.V. ist zu dieser Zeit handlungsunfähig:

  • Die Kündigung der Mietverträge von 2012 gilt weiterhin

  • finanzielle Fördermittel können somit nicht eingeworben werden und

  • neben seiner prekären finanziellen Situation gelingt ihm der Generationswechsel nicht.

Der Vorstand kooperiert mit dem Clof e.V., der im Dezember 2013 mit der R.E.D. einen Mietvertrag für das SGL abschließt und die Hausverwaltung für VWG und BWH übernimmt.

Einen weiteren Mietvertrag von der R.E.D. erhält das Theater Majak für das Ambulatorium als Ausweichfläche für ihren alten Spielort auf dem Gelände. Zwar ist damit das vierte Vereinshaus wieder in Nutzung, allerdings nicht mehr als offener Gemeinschaftsraum des RAW-tempel e.V.

Die Nutzung der beiden übrigen Vereinshäuser VWG und BWH wird geduldet, Mietverträge gibt es nicht.

Im März 2014 BVV-Beschluss zum Einwohner*innen-Antrag:

Der Einwohner*innen-Antrag wird zusammen mit einem inhaltlich ähnlichen Antrag der Grünen beschlossen (Link zu den Drucksachen)

Die BVV beschließt mit der Annahmen des Einwohner*innen-Antrags:

  • Kein Wohnungsbau

  • Schaffung von Grünflächen

  • Entwicklung des RAW als Kulturstandort

  • Umfassende Bürgerbeteiligung

  • Prüfung gesetzlicher Instrumente zur Sicherung der städtebaulichen Eigenart des Geländes

Die Initiative führt daraufhin eine vertiefende Umfrage zur Zukunft des RAW-Geländes durch. Die Ergebnisse der Stadtteilbefragung bestätigen und präzisieren die Ziele des Einwohner*innen-Antrags.

Im November 2014 urteilt das Berliner Landgericht zugunsten der BNRE, dass der Rücktritt der R.E.D. vom Kaufvertrag unwirksam ist. Zu diesem Zeitpunkt verhandelt die BNRE bereits über einen Weiterverkauf ihrer Geländeteile.

2007 - 2013: Entwicklungsgemeinschaft Revaler Fünfeck: Wir sind gekommen, um zu bleiben!

Das RAW-Gelände soll nun schrittweise ohne B-Plan-Verfahren entwickelt werden, Bezirksbürgermeister Schulz initiiert dafür eine Projektgruppe mit allen Akteuren.

Teil davon ist auch die Entwicklungsgemeinschaft Revaler Fünfeck der Nutzer*innen, die sich bereits Ende 2006 gegründet hatte. Link

Ziele der Entwicklungsgemeinschaft:

die Erarbeitung eines Gesamtnutzungskonzepts für das RAW-Gelände und

der Erwerb mindestens der Vereinsflächen von der Vivico. Ein Kaufangebot lehnt die Vivico jedoch ab. Grund: Ein Käufer sei schon gefunden.

Mai 2007 – Privatisierung des RAW-Geländes:

Die R.E.D. Berlin GmbH, eine aus isländischen und deutschen Anteilseigner*innen bestehende Investor*innengruppe, kauft das RAW-Gelände für 4 Mio. Euro und verspricht Teilnahme an der Projektgruppe mit eigenen Konzepten.

Doch die Gespräche scheitern an den gegensätzlichen Interessen von Nutzer*innen und neuer Geländeeigentümerin:

2008 veröffentlicht die R.E.D. eine eigene städtebauliche Studie zur RAW-Geländeentwicklung.

In einer Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses Anfang 2009 überreicht sie dem RAW-tempel e.V. außerdem eine Nutzungsuntersagung für das SGL.

Der Bezirk seinerseits betont, dass es nur eine gemeinsame Lösung mit Eigentümer*innen und Nutzer*innen geben kann. So sieht es auch der neue Aufstellungsbeschluss (Link) für den Bebauungsplan 2-25 vom April 2009 vor.

Ein neues Planungsverfahren unter Beteiligung von Nutzer*innen und Stadtgesellschaft ist jedoch mit der R.E.D. nicht absehbar.

Endlich wieder Mietverträge – nee, doch nicht.

Erst zwischen 2010/11 handelt der RAW-tempel e. V. Mietverträge mit den neuen Eigentümer*innen für 3 Vereinshäuser aus (BWH, VWG, SGL - Laufzeit bis 2019). Ein viertes Haus, das Ambulatorium, ist jedoch seitens der R.E.D. nicht Teil der Verhandlungsmasse und muss zum 01.01.2012 abgegeben werden. Damit verliert das Soziokulturelle Zentrum einen wichtigen Versammlungs- und Ausstellungsort.

Schon Ende 2011 folgt eine Nutzungsuntersagung für die oberen Etagen des BWH aufgrund von Brandschutzmängeln - die R.E.D. hatte ihr Eigentum selbst beim Bauamt angezeigt.

Im März 2012 kündigt die R.E.D. den Mietvertrag für alle drei Häuser wieder. Ohne gültige Mietverträge ist der gemeinnützige Verein von nahezu allen finanziellen Förderungen ausgeschlossen – bspw. solchen zur Instandsetzung seiner Häuser.

Rechtsstreit der Eigentümer beginnt

Die Unstimmigkeiten zwischen deutschen und isländischen Anteilseigner*innen der R.E.D. mündeten im Oktober 2012 in einer wirtschaftlichen Trennung bei vertraglich geregelter Aufrecherhaltung der Planungsgemeinschaft im laufenden B-Plan-Verfahren 2-25.

Die isländischen Anteilseigner*innen gründeten die BNRE und kauften der R.E.D. zwei Drittel des Geländes ab. Die Fläche der BNRE umfasst den westlichen Teil des Geländes. Auf ihr befinden sich die Vereinshäuser des RAW-tempel e.V. und der Five-O-Projekverbund mit Skatehalle, Kegel, Cassiopeia, Freilichtkino und Biergarten.

2001-2007: Ideenaufruf: RAW ist machbar, Herr und Frau Nachbar!

2001 - Teilprivatisierung des RAW

Die Vivico Real Estate GmbH übernimmt die Geländeverwaltung für die DB. Der Zweck des Unternehmens ist die Veräußerung stillgelegter Bahnliegenschaften, sein Auftrag fürs RAW: „wertoptimale Vermarktung“.

Beginn des „Ideenaufruf – Initiative für partizipative Stadtentwicklung“

Die Initiative, die sich aus Mitgliedern und Projektpartner*innen des RAW-tempel e.V. gründet, füllt die unbesetzte Stelle der Mittler*in zwischen Nutzer*innen, Kommunalpolitik, Verwaltung, Anwohnenden und Eigentümer*innen.

Mit der Bezirksfusion zwischen Friedrichshain und Kreuzberg wechseln die bezirklichen Ansprechpartner*innen.

Bebauungssplanverfahren (B-Plan)

Vivico und Bezirk starten ein städtebauliches Gutachterverfahren. Ziel: eine wirtschaftlich tragfähige Entwicklung für das RAW erarbeiten. Drei Planungsbüros treten in einem diskursiven Wettbewerbsverfahren gegeneinander an - 2002 Siegerentwurf des städtebaulichen Wettbewerbs von Kees Christiaanse

Kritik der Initiative Ideenaufruf am städtebaulichen Wettbewerb

Die Planung der Nutzer*innen und Nachbarn müsste Grundlage für das bezirkliche Planungsverfahren sein. Stattdessen tritt das Engagement der Bürger*innen in Konkurrenz zu den Entwürfen der Planungsbüros. Der Ideenaufruf dokumentiert das Verfahren und bringt im Sinne seiner Schnittstellenfunktion die Perspektive der Nachbarn und Nutzer*innen ein.

Einerseits wird der Siegerentwurf begrüßt, da er den prozessualen Charakter auf dem RAW-Gelände durch bestehende Nutzungen auch als zukünftiges Potential einfängt. Andererseits gibt es Bedenken wegen der vorgesehenen Bebauungsdichte und dem engen Straßennetz auf dem RAW, da beides im Widerspruch zu den Zielen des B-Plan-Aufstellungsbeschlusses und den Ergebnissen der Bürger*innen-Befragung 2001 steht: die Entwicklung qualitätsvoller Grünstrukturen auf dem RAW.

Nach einer personellen Umstrukturierung 2003 zieht die Vivico Einzelverhandlungen dem gemeinschaftlichen Ansatz der Geländenutzer*innen vor. Wegen angeblicher Vertragsverstöße hatte sie bereits 2001 den Nutzungsvertrag für den RAW-tempel e.V. gekündigt. Anfang 2003 gibt es einen Mietvertrag für nur ein Vereinshaus (SGL), die Nutzung der anderen drei Häuser (BWH, Ambu und VWG) wird geduldet.

Die Five-O GmbH, zuvor Projektpartner*in des RAW-tempel e.V., erhält 2004 endlich einen Mietvertrag von der Vivico. Nach einem knappen Jahr Bauzeit wird im März 2005 die erste dauerhafte Skatehalle Berlins in Betrieb genommen, der Kletterkegel und der Club Cassiopeia folgen 2006.

Obwohl ab 2004 die formalen Voraussetzungen für die Festsetzung des B-Plans gegeben sind, zeichnet die Vivico den dazugehörigen städtebaulichen Vertrag bis Ende 2006 nicht. Anfang 2007 hebt die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg (BVV) den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan auf. Begründung: Veränderte Planziele und Entwicklungspotenzial vorhandener Nutzungen.

Die jahrelange Konzeptarbeit der Nutzer*innen ist damit hinfällig.

 

DIE GESCHICHTE DES RAW-GELÄNDES

1998 Gründung des RAW-tempel e.V. mit rund 30 Projektpartner*innen aus den Bereichen Handwerk, Musik, bildende Kunst und Kulturarbeit

Ziel: selbstverwaltet und soziokulturell arbeiten

„Der RAW-tempel e.V. versteht sich als offene, gemeinnützige Organisation von Kreativen und Bürger/innen, die eine Vision teilen:

einen Freiraum soziokultureller Nutzung inmitten einer europäischen Metropole zu gestalten, in dem sich individuelle Selbstverwirklichung mit dem solidarischen Handeln für ein Gemeinwesen verbindet. Ein wesentliches Ziel des Vereins ist daher die Förderung kultureller Zwecke.

Der Verein fördert soziokulturelle Aktivitäten, welche die Verständigung zwischen den BewohnerInnen und den Kulturschaffenden des Bezirks, die Zusammenarbeit zwischen Ost /Friedrichshain und West/Kreuzberg sowie unterschiedlichen Kulturen stimulieren.“ (Auszug aus der Vereinssatzung)

1999 schließt der Bezirk Friedrichshain einen dreijährigen Nutzungsvertrag mit der Eisenbahnimmobilienmanagement GmbH ab, der RAW-tempel e.V. wird sein Untermieter.