Stellungnahme zum Dialogwerkstattverfahren RAW

23. Mai 2018

Die Umsetzung des Einwohner*innen-Antrags für den „Erhalt des RAW als Kulturensemble, Naherholungsgebiet und Denkmalbereich!“ und weiterer BVV-Beschlüsse ist akut gefährdet!

4.000 Menschen unterstützten 2014 den Einwohner*innen-Antrag der Initiative RAW.Kulturensemble mit ihrer Unterschrift, um „eine großflächige Bebauung des historisch, kulturell und städtebaulich wertvollen RAW-Ensembles zu verhindern“. Das gesamte Ensemble des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerks ‚Franz Stenzer (RAW) soll erhalten werden und „sich als Bereich für Freizeit, Soziales und Kultur aus dem Bestand heraus weiterentwickeln“ (DS/1109/IV). Der Einwohner*innen-Antrag war erfolgreich und wurde ohne Änderung von der BVV Friedrichshain-Kreuzberg am 04.06.2014 angenommen und beschlossen.

Nach dem Verkauf fast des gesamten Geländes 2015 an die Kurth Gruppe und die International Campus AG droht verstärkt die Gefahr des großflächigen Abrisses und Neubaus – einhergehend mit dem Verlust des Geländecharakters und der Verdrängung langjähriger Nutzer*innen.

Die aktuellen Entwicklungen gefährden die vom Stadtteilbündnis RAW für den Kiez zusammengefassten Anforderungen des Stadtteils an die Geländeentwicklung:

- „eine zusammenhängende, offene Grün- bzw. Freifläche als Naherholungsgebiet,

- die unabhängige Verstetigung der soziokulturellen Nutzungen mit ihrem vielfältigen Angebot

- der Erhalt der städtebaulichen Eigenart des Geländes durch behutsame bauliche Ergänzungen,

- ein transparentes, ergebnisoffenes und demokratisches Beteiligungsverfahren.“

(kiezbuendnis.wordpress.com/)

Zu jedem dieser Punkte gibt es auch Beschlüsse der BVV (insbesondere die Drucksachen DS/1056/IV, DS/0672/IV, DS/1109/IV, DS/2292/IV und jüngst: DS/0726/V, DS/0727/V).

Die aktuelle städtebauliche Planung gefährdet die Ziele des Bezirks.

Es wird bekräftigt, die BVV-Beschlüsse seien bekannt und würden akzeptiert. Gleichzeitig wird im laufenden Dialogverfahren geplant, als wäre das RAW eine leerstehende Brache. Bis auf den Bereich des Soziokulturellen L sollen die meisten Projekte weichen und beinahe alle Gebäude abgerissen werden, wie z.B. das Badehaus, das Astra Kulturhaus und Urban Spree. Eine große Grünfläche ist bisher auch nicht Bestandteil der Planungen, obwohl deren räumliche Realisierbarkeit offensichtlich ist.

Die Wünsche der Eigentümer können nur mit einem Bebauungsplan ermöglicht werden und dafür ist allein der Bezirk als Plangeber*in verantwortlich. Dies bekräftigte das Verwaltungsgericht im Urteil zu abgelehnten Bauvorbescheidsanträgen für das RAW und ein Gutachten von Ulrich Battis für den damaligen Staatssekretär für Kultur, Tim Renner. Mit dem Eigentümerwechsel soll sich das jetzt ändern? Beugt sich der Bezirk dem Druck der Eigentümer – Verlängerung der Mietverträge im Soziokulturellen L gegen großzügiges Baurecht und schafft damit das Gegenstück zum Entertainment Center an der Warschauer Brücke?

Wir erinnern das Bezirksamt an den im Einwohner*innen-Antrag formulierten Auftrag, „zur Sicherung und künftigen Gestaltung des Geländes folgende Mittel zu prüfen und unter aktiver Beteiligung der BürgerInnen entsprechend anzuwenden“:

- die Bauleitplanung - einen Bebauungsplan, der großflächige Bauvorhaben verhindert

- der Erlass einer Erhaltungssatzung nach § 172 BauGB oder Gestaltungssatzung nach § 12 AGBauGB

- eine Initiative zur Ausweisung des Geländes als Denkmalbereich (Ensembleschutz) bzw. weiterer Einzelgebäude als Denkmal“ (DS/1109/IV).

Das RAW-Dialogwerkstattverfahren sieht bisher keine ernsthafte öffentliche Beteiligung an der städtebaulichen Entwicklung vor

Zunächst gab es keine Beteiligung des Stadtteils an der Konzeption des Verfahrens, womit es nicht den vom Bezirk gesetzten Vorgaben entspricht (Drucksachen DS/2292/IV und DS/0713/IV). Im Verfahren selbst ist das Meiste vorgegeben. Anstelle eines offenen Austausches auf Augenhöhe wird im großen Dialog-Plenum und Arbeitstischen künstlich polarisiert. Kritische Einwände und spezifische Fragen werden mit irreführenden Floskeln wie „Alle entscheiden alles“ und „die Qualität der Dichte entscheidet“ sowie mit angeblichen wirtschaftlichen Notwendigkeiten abgewehrt.

Eine systematische Einbeziehung des Stadtteils und/oder seiner Bedarfe sowohl an soziokultureller als auch grüner Infrastruktur findet trotz einiger Vorarbeiten nicht statt. Die Teilnahme der Zivilgesellschaft an den relevanten Arbeitsgruppen (Lenkung und Städtebau) war nicht vorgesehen, wird inzwischen auf Drängen vereinzelt zugelassen.

Es gibt keine ernsthafte öffentliche Beteiligung an der Entwicklung des SoziokulturellenL

Die Verhandlungsmacht der Stadtteilgesellschaft und des Bezirks wird vorrangig für die Sicherung des Soziokulturellen L aufgewendet. Ein Großteil der Erwartungen kann voraussichtlich nur im Bereich des Soziokulturellen L umgesetzt werden an die Geländeentwicklung gekoppelten (und während des Dialogverfahrens gesammelten). Die Sicherung des Soziokulturellen L wird als Zugeständnis an den Stadtteil und als mögliches Modell kooperativer Stadtentwicklung bezeichnet.

Gleichzeitig gibt es keine Beteiligung des Stadtteils an diesen Aushandlungsprozessen, die von den Interessen der Einzelmieter*innen dominiert werden. Günstigen Einzelmietverträgen die alleinige Priorität zu geben, gefährdet jedoch die Schaffung und Sicherung von öffentlichen soziokulturellen Räumen und Angeboten und damit die zentralen Interessen des Stadtteils und des Bezirks (DS/0726/).

Der Zusammenschluss der Mieter*innen im RAW Kultur L und ihre Angebote bieten die Chance, das Soziokulturelle Zentrum stadtteilorientiert zu institutionalisieren.

Deswegen fordern wir die Beteiligung des Stadtteils an den Verhandlungsgesprächen zur Sicherung des Soziokulturellen L und eine/n am Gemeinwohl orientierte/n Träger*in, die den Stadtteil mit einbindet. Es darf zudem keinen Abschluss von Einzelmietverträgen geben, bevor der Bestand und die Finanzierung von niedrigschwelligen, öffentlichen Räumen ohne Konsumzwang gesichert ist. Umgekehrt dürfen auch keine städtebaulichen Verträge abgeschlossen werden, bevor das Soziokulturelle Zentrum nicht dauerhaft für 99 Jahre gesichert ist.

Dennoch bietet das Verfahren eine breite Sammlung von Inhalten und Lösungsansätzen, die in Verfahrensschritten vertieft ausgearbeitet und ausgehandelt werden sollten.

In der Drucksache DS/0268/V kündigt das Bezirksamt an, dass nach den Planungswerkstätten und den Verhandlungen des Soziokulturellen L eine Zusammenführung der erarbeiteten Szenarien bzw. eine Synthese stattfinden soll. Weiterhin soll dazu ein „dauerhaftes Entwicklungsforum, in dem auch Nachbarn und Nachbarschaftsinitiativen Mitglied sein können“, eingerichtet werden.

Zudem hat die für die Dialogwerkstätten verantwortliche Firma Urban Catalyst das Verfahren als iterativ [sich wiederholend] vorgestellt, welches sich nach Bedarf mit weiteren Werkstätten fortführen lässt.

Diesen Bedarf sehen wir als gegeben und fordern deswegen weitere Werkstätten, deren Rahmen konstruktiv vertiefendes Arbeiten und Diskussionen ermöglichen. Damit Beteiligung gelingt, braucht es gegenseitige Anerkennung und es ist notwendig, an der Konzeption der Werkstätten und des Entwicklungsforums mit dem Stadtteil zusammenzuarbeiten.

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